Warum reisen Menschen in andere Länder? Um das Außergewöhnliche zu sehen, etwas Neues, nicht alltägliches. Ein anderes Land.
Der Tourismus beeinflusst allerdings
aktiv das Erscheinungsbild einer Region. Welche offensichtlichen
Auswirkungen hat der Tourismus auf Siedlungsstrukturen und das
äußerliche Bild eines Landes? Dies kann beispielhaft in Südmarokko
beobachtet werden.
Touristische Dorfkomplexe
Eine Erscheinung sind die Feriendörfer,
die sich im Moment, und in den letzten Jahren vor allem entlang der
Küste etabliert haben. Zurückgezogen von der realen Welt finden
sich hier Villen, Apartments und Hotelkomplexe, meist hinter hohen
Mauern, im Stil von „Gated communities“. Innerhalb sind keine
traditionellen Strukturen und Gewohnheiten mehr erkennbar. Sogar die
Landschaft wird ausgesperrt und verändert. Das Klientel für diese
Art von Feriendörfern sind oft pauschalreisende Europäer, aber auch
gut verdienende Marokkaner die sich hier, außerhalb der großen
Städte ihren Zweitwohnsitz errichten. Sie suchen nicht das
Ursprüngliche sondern den Luxus, die Annehmlichkeiten und die
Sicherheit dieser Komplexe.
In Ägypten haben diese Ferienkomplexe
bereits enorme Ausmaße angenommen. Ganze Küstenbereiche westlich
von Alexandria sind nicht mehr öffentlich zugänglich, die
Landschaft ist verbaut und die Attraktivität dieses Küstenbereichs
vermindert. Diese Entwicklung wurde in den 80-er Jahren gezielt vom
Staat, durch die Errichtung der entsprechenden Infrastruktur und den
Bau der ersten drei Feriensiedlungen inszeniert.
Im Plan Azur, der von König Mohammed
VI, im Hinblick auf eine positive Tourismusentwicklung erstellt
wurde, sind auch fünf solcher Komplexe entlang der Küste Marokkos
vorgesehen.
Abb.1: Club Evasion
Quelle: Eigene Darstellung; Luftbild Bing
Veränderte Dorfstrukturen
Viele dieser privaten Ferien- und
Alterswohnsitze finden sich auch außerhalb der geschlossenen
Komplexe, innerhalb traditioneller marokkanischer Dörfer. Hier
werden Gewohnheiten, das dortige Leben und die Landschaft zwar nicht
ausgeschlossen, dafür wirkt sich die bauliche Ausbildung dieser auf
die ursprünglichen Strukturen der Dörfer aus. Meist in europäischem
Stil errichtete, hohe Gebäude oder Anbauten aus Beton, die sich
nicht an Farbgebung, Baustoff oder Fassadengestaltung der übrigen
Häuser halten, prägen heutzutage zahlreiche Ortsbilder
marokkanischer Kleinstädte und Dörfer. Jedoch nicht nur die
Gestaltung, auch die Nutzung dieser, die meist nur in den
Sommermonaten und Ferienzeiten stattfindet beeinflusst den Alltag der
Bewohner. Verlassene Straßen, dunkle, teilweise vernachlässigte
Häuser und der unkontrollierbare Wachstum der Städte im Sommer sind
Folgen dieser Entwicklung.
Quelle: Eigene Darstellung
Regionale
Strukturen
Allgemein hat der
Tourismus in Marokko jedoch viele Standbeine. Nicht nur der
Badetourismus dieser Feriendörfer auch der Rundreisetourismus spielt
eine wichtige Rolle. Dies wirkt sich sehr positiv aus, sowohl
Infrastruktur als auch kulturelles Erbe des Landes werden so besser
erhalten und viele unterschiedlichen Regionen des Landes mit
einbezogen.
Ein Beispiel dafür
ist die sogenannte Straße der Kasbahs, die sich zwischen Marrakesch
und den südlichen Wüstenregionen erstreckt.
Aufgrund ihrer Lehmbauarchitektur ist
die Region seit Jahrzehnten beliebtes Besichtigungsziel vieler
Touristen. Zu bestaunen gibt es den unverkennbaren Baustil der
dortigen Kasbahs und Ksour, der Festungen und Wehrdörfer ehemaliger
Halbnomaden, die in ihrer Lehmbauweise die Besonderheit
und Attraktivität der Gegend ausmachen. Als
authentisch marokkanisch und beeindruckend in der Ausführung werden
die Siedlungen mit ihren Burgen beschrieben. Einzigartig.
Seit Jahren jedoch findet im Land ein
tiefgreifender Umbruch im Siedlungsbau statt. Lehm, als lokal
verfügbarer Baustoff, der in der dortigen Vorwüstenzone ein
angenehmes Wohnklima erzeugt, wird
verdrängt von europäischer Betonbauweise, welche unter den
Bewohnern als zeitgemäßer gilt. Denn ohne stete Pflege der
Lehmbauten verfallen diese. Zu aufwändig für viele, verlassen sie
ihre Häuser einfach oder ersetzen sie durch Neubauten.
So verschwinden Großteile der für die
"Straße der Kasbahs" typischen Gebäude und Siedlungen im
wörtlichen Sinn. Eine unaufhaltsame Entwicklung.
Da das, für touristische Zwecke
vermarktete, Produkt der dortigen Burgen und Siedlungsstrukturen so
aber gleichwohl verfallen würde, und damit die Einkünfte der Region
durch den Tourismus, wird das Image auf eine artifizielle Weise
erhalten. Bewohner und Investoren versuchen viele ihrer Neubauten und
Hotelanlagen, ohne Lehm, jedoch im Stil der ehemaligen Kasbahs zu
gestalten.
Wenn man heute durch das Tal fährt,
nimmt man nicht mehr die Burgen mit ihren dazugehörigen Siedlungen
war, vielmehr das, was davon übrig ist, eine Landschaft aus Ruinen
und Neubauten.
Ein
natürlicher Prozess. Mehr als die Hälfte der Lehmsiedlungen sind
nicht mehr bewohnt. Trotzdem werden traditionelle Lebensweisen, die
eigentlich schon gar nicht mehr vorhanden sind, präsentiert und
vermarktet.
Gestützt auf die Überbleibsel der Vergangenheit. Es wird eine
Lebensweise vorgetäuscht, die eigentlich längst überholt ist.
In Hotels findet man Tapeten, die Lehm
und Stroh imitieren, aufgeklebt auf die Wand. Tradition wird
vorgeführt, in dem man über ein matschiges Feld geführt wird, in
ein übriggebliebenes Lehmwohnhaus, in dem veranschaulicht wird, wie
Teppiche gewoben und Tee getrunken wird.
Ein Schein. Doch angenommen von
Touristen, und somit beständig.
Der Tourismus prägt
auf jeden Fall das Bild eines Landes. Er verändert Landschaften,
Städte und Dörfer. Ein Phänomen, in vielen Regionen, in vielen
Ländern, zu beobachten. Allerdings sorgt er für die Entwicklung an
sich, es kann nichts konserviert werden, alles ist in einem ständigen
Wandel, der akzeptiert und auf diesen eingegangen werden sollte.
Abb.3: Neue Bauweise, neue Siedlungsstruktur
Quelle: Eigene Darstellung
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